Der Södersche Populismus

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Weil ich den Söderschen Populismus in meinem gestrigen Post https://peakd.com/hive-121566/@ygoob/das-geschaft-mit-dem-populismus kurz angerissen habe, möchte ich den Wendehals Markus Söder heute einmal genauer unter die Lupe nehmen.

In seiner Funktion als Bayerischer Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, welche er von 2007 bis 2008 inne hatte, forderte Söder ein Verbot von Neuzulassungen für Autos mit herkömmlichen Verbrennungsmotoren ab 2020! Sehr zum Missfallen seiner Partei übrigens. Die Kehrtwende kam erst 2017, da bekannte sich Söder öffentlich zum Parteiprogramm und das sagte klar: Nein zum Aus von Verbrennungsmotoren. Und heute, heute spricht Söder sogar von "grüner Ideologie", von "grüner Verbotsmentalität" - obwohl er einmal auf der gleichen Schiene fuhr. Bisher kein Wort von ihm zu seiner damaligen Überzeugung oder dazu, warum er seine Meinung änderte.

Nach Fukushima forderte Söder einen schnelleren Atomausstieg - wenn möglich bis 2020/2022. Er wählte damals folgende Worte: "Japan ändert alles." Nun hat er was er damals wollte, erklärte sogar, er sehe den Beschuss der Bundesregierung als Bestätigung seines Vorschlags, aber: seit Beginn des Ukraine-Kriegs schwenkte er komplett um und fordert seither den Ausstieg aus dem Ausstieg. Sogar Fracking schließt er nun nicht mehr aus. Vernachlässigbar ist dabei (fast) die komplette Kehrtwende, bemerkenswert ist jedoch die Wortwahl Söders. Er warf der Regierung Phrasen wie "überstürzt", "verantwortungslos", "unvernünftig" an den Kopf. Schuldig geblieben ist Söder bis heute Antworten auf Fragen wie: ist eine längere Laufzeit beim derzeitigen Stand des Rückbaus überhaupt sinnvoll oder rechtfertigt der langwierige Prozess der Herstellung von Brennelementen die verlängerte Laufzeit? Auch ein End-Datum seines geforderten Ausstiegs vom Ausstieg blieb der bayerische Ministerpräsident bis heute schuldig. Ach und übrigens: dabei bleibt Söder bei seinem Standpunkt, ein Atommüllendlager in Bayern sei mit ihm nicht zu machen.

Corona und Söder: Zu Beginn der Pandemie konnte Söder keine Maßnahme zu hart, kein Vorstoß zu undenkbar sein. Er kritisierte die Regierung gar für ihren zögerlichen Kurs - monatelang. Er inszenierte sich als härtester Corona-Bekämpfer, sprach sogar von einem "Team Vorsicht". Es wurden Ausgangssperren beschlossen - die später als rechtswidrig eingestuft wurden. Bayern hatte unter Söder die härtesten Corona-Regelungen im Bundesgebiet. Anfang 2022 plötzlich der Umschwung. Die Regierung wäre zu zögerlich mit Lockerungen etc. Ab da rannte Söder in die Lockerungs-Richtung. Er nannte es "Exitstrategie" und "Team Hoffnung".

Söder und das "Fleischverbot": Seit einiger Zeit wettert Söder bei jeder Gelegenheit gegen das von ihm (und Aiwanger) so benannte vermeindliche "Fleischverbot" der Grünen. Die Krux an der Gschicht: Nicht ein grüner Politiker forderte bisher ein Fleischverbot, nicht einer! Dennoch setzt Söder seine Propaganda munter weiter in die Welt!

Söder und die Statistik zu erneuerbaren Energien: Bereits seit einigen Wochen verkündet der Ministerpräsident, Bayern sei führend beim Ausbau von erneuerbaren Energien. Das mag auf den ersten Blick so aussehen, stimmt aber nur teils. Die Statistik sagt klar, zwar liegt Bayern auf Platz zwei im Vergleich der Bundesländer, aber nur in absoluten Zahlen. In Relation zur Größe der Bundesländer landet Bayern im hinteren Mittelfeld. Auch schafft es Bayern nur dank Solarenergie in den absoluten Zahlen auf einen vorderen Rang. Legt man das wiederum auf Größe und Einwohnerzahl um, liegt Bayern wieder im Mittelfeld - beim Wind liegt das Bundesland klar hinten. Nicht genug, dass Söder bei diesem Thema nicht ins Detail geht, er kantet Kritiken anderer Parteien harsch als Unwahrheiten ab - wie unlängst Lars Klingbeil von der SPD. Der hatte es gewagt, anzumerken, dass Söder die Statistik verkürzt wiedergegeben hatte.

Söder und das Gendern: Hier behauptet der Ministerpräsident seit geraumer Zeit, die Ampel wolle das Gendern "staatlich verordnen" und die Bevölkerung "umerziehen". Gegenüber dem BR verkündete er gar: "Gegendert werden soll auf Dauer staatlich quasi – und da könnten Sanktionen drohen, wenn man nicht diese Sprachformen nimmt." Er behauptet also nach wie vor, dass die Ampel Gendern per Gesetz einführen will. Dem ist mit Nichten so. Teile der Regierung, so die Grünen, haben das Gendern parteiintern zwar zur Pflicht gemacht - aber eben Parteiintern. Die FDP hält es nach wie vor mit dem Nennen beider Geschlechter "Freunde und Freundinnen", ebenso die SPD "Genossen und Genossinnen". Zumal im Bundesgleichstellungsgesetz längst verpflichtend vorgeschrieben wird, dass die Bundesverwaltung die "Gleichstellung von Mann und Frau sprachlich zum Ausdruck" bringen sollen. Zuletzt wurde das Gesetz übrigens von der alten Regierung geändert - unter Beteiligung der CSU. Nichts destotrotz hält Söder an seiner Behauptung, die "Grünen wollen die Bevölkerung umerziehen" fest. Obwohl es jeglicher Grundlage entbehrt. Was auch schon 2021 so war, auch da wetterte Söder - aber es war ja Wahlkampf. Huch - wie dieses Jahr auch?! Sowas!

Der Populismus von Söder scheint inzwischen keine Grenzen mehr zu kennen - obwohl er schon Zeit seines politischen Lebens so war. Seit er auf Twitter unterwegs ist, nimmt es aber beinahe groteske Züge an. Da schreibt er Deutschland würde Atomstrom aus Frankreich zukaufen. Ist halt nachweislich unwahr - aber sei's drum. Er unterstellt den Grünen Insekten in Lebensmitteln verpflichtend einführen zu wollen. Auch das ist nicht wahr. Söder bezieht sich auf eine EU-Richtlinie, die besagt, das 4 Insektenarten in Lebensmitteln vorkommen dürfen. Die ersten 3 übrigens 2021 und 2022. Aber gut, damals war der Wahlkampf auch gerade vorbei. Unvergessen ist seine Wetterei gegen das Bürgergeld - nur um sich tags darauf bei einer Tafel zu zeigen und dies medienwirksam zu twittern. Bigott könnte man das auch nennen.

Eines muss man Söder lassen, er ist enorm gut, Stimmungen zu erkennen - und er kennt seine Wähler. Viele von ihnen reagieren besser und viel lieber auf "Stammtisch-Parolen" (so hieß das früher mal) als auf Fakten. Söder macht gefühlte Politik - mit Inhalten hat das, was er sagt, wenig zu tun...

Ach ja: Wäre Söder Kanzlerkandidat geworden, welche Koalitionspartei hätte er wohl präferiert? Tatsache: die Grünen - seine heutigen Erzfeinde, weil die CSU ist ja die wahre Umweltpartei - wie er 2019 lautstark zum Besten gab. Heute will Söder von Umweltschutz nicht mehr viel wissen... hat er doch erkannt, dass in derart unsicheren Zeiten andere Themen besser ankommen.

Für das, was Söder da tagtäglich vom Stapel lässt, gibt es inzwischen übrigens ein Spottwort: södern. Dies bedeutet: Symbolpolitik bzw. populistische Politik zu betreiben, in der Hoffnung bei Wahlen mehr Stimmen zu bekommen oder Profit daraus schlagen zu können.



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Da Bröckeln Weltbilder und Identifikationen mit Politik-Darstellern

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