Achtsames Wochenende | Mindful Weekend #15 - Die Suche nach Erleuchtung [DE - EN]

Liebe Leserinnen, liebe Leser
English version below

Heute gibt es wieder einmal eine kleine Geschichte aus der östlichen Tradition. Es geht um Milarepa, ein grosser Meister des Tibetanischen Buddhismus.

Milarepa hatte überall nach Erleuchtung gesucht, aber nirgends eine Antwort gefunden, bis er eines Tages einen alten Mann langsam einen Bergpfad herabsteigen sah, der einen schweren Sack auf der Schulter trug. Milarepa wusste augenblicklich, dass dieser alte Mann das Geheimnis kannte, nach dem er so viele Jahre verzweifelt gesucht hatte. „Alter, sage mir bitte, was du weißt. Was ist Erleuchtung?“ Der alte Mann sah ihn lächelnd an, dann ließ er seine schwere Last von der Schulter gleiten und richtete sich auf. „Ja, ich sehe!“ rief Milarepa. „Meinen ewigen Dank! Aber bitte erlaube mir noch eine Frage: Was kommt nach der Erleuchtung?“ Abermals lächelte der Mann, bückte sich und hob seinen schweren Sack wieder auf. Er legte ihn sich auf die Schulter, rückte die Last zurecht und ging lachend seines Weges.

Quelle: www.heisan-zen.de

In der Geschichte wird der Begriff «Erleuchtung» verwendet und da wir hier in Europa tendenziell etwas «verkopft» sind, möchte ich diesen kurz klären bzw. meine Sicht darauf teilen. Wobei meine Sicht nur eine Annäherung sein kann.
Für mich ist der Begriff lediglich ein Symbol für eine Stufe der Erkenntnis, auf welcher wir in vollkommener Ausgeglichenheit und Balance sind. Es ist ein Zustand der absoluten Klarheit und Bewusstheit.
Ich denke sehr viele Menschen erleben solche Momente, aber oft sind sie nur sehr kurz und den wenigsten dürfte klar sein, wie man so einen Zustand bewusst herbeiführt, aber kommen wir zu unserer Geschichte zurück.


Milarepa steht hier für unser Streben nach Erfolg und für unsere Suche nach Erkenntnis. Wenn man die Geschichte etwas weltlicher, oder greifbarer interpretiert, kann man auch sagen, dass Milarepa versucht ein Ziel zu erreichen. Was genau das Ziel ist, ist dabei nebensächlich.
Als er auf den Alten trifft, fühlt er intuitiv, dass dieser bereits Ziele erreicht, oder eben Erleuchtung gefunden hat. Sofort sieht er seine Chance und will wissen, was die Erleuchtung ist, bzw. wie ein Ziel erreicht werden kann.

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Als der Alte die Last sinken lässt, hat Milarepa seine Antwort.
«Loslassen.»
Und er versteht sofort, je mehr er versucht zu finden, desto weniger wird es ihm gelingen. Er muss den Ballast hinter sich lassen, um frei zu sein.
Hier lässt die Geschichte wieder viel Spielraum, die schwere Last könnte alles Möglche sein. Man könnte sie als das Streben nach Ruhm, Erfolg und Anerkennung sehen. Oder auch als die Gier nach Wissen und Erkenntnis, es steht jedem frei das für sich zu interpretieren.


Milarepa ist kein Jüngling mehr, sondern ein erfahrener Suchender und so stellt er geistesgegenwärtig eine weitere wichtige Frage: «Was kommt nach der Erleuchtung? ».
Und der Alte ergreift seine Last und lächelt erneut.
Die Geschichte will uns lehren, dass wir der Welt und unseren Aufgaben nicht endgültig entkommen können und auch gar nicht müssen. Der Alte lächelt scheinbar zufrieden, obwohl er weiss, dass er seine Last weitertragen muss. Er ergibt sich diesem Umstand demütig im Wissen, dass wieder Momente ohne Last kommen werden.
Auch ein erleuchteter Meister kann nicht dauerhaft im Zustand der Erleuchtung verweilen, nicht so lange er hier an diese Welt gebunden ist. Das aber ist ein Thema für einen anderen Beitrag.

Selbst wenn wir unsere Ziele erreichen, folgen immer wieder neue und das ist völlig normal und auch gut so, denn sonst gäbe es keine Entwicklung. Machen wir doch das Beste daraus und begeben uns auf diesen spannenden Weg.

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Ich hoffe, diese Ausgabe hat euch gefallen und regt euch zum Nachdenken an. Ich wünsche euch ein Wochenende mit Momenten ohne Lasten.

Bis bald.


English version

Dear readers

Today, once again, we have a little story from the Eastern tradition. It is about Milarepa, a great master of Tibetan Buddhism.

Milarepa had searched everywhere for enlightenment, but nowhere found an answer, until one day he saw an old man slowly descending a mountain path, carrying a heavy sack on his shoulder. Milarepa knew instantly that this old man knew the secret he had been desperately searching for for so many years. "Old man, please tell me what you know. What is enlightenment?" The old man looked at him with a smile, then let his heavy burden slide off his shoulder and straightened up. "Yes, I see!" exclaimed Milarepa, "My eternal thanks! But please allow me one more question: what comes after enlightenment?" Again the man smiled, bent down and picked up his heavy sack. He put it on his shoulder, adjusted the load and went his way laughing.

Source: www.heisan-zen.de

In the story the term "enlightenment" is used and since we here in Europe tend to be somewhat "cerebral", I would like to clarify this briefly or share my view on it. Whereby my view can only be an approximation.
For me, the term is simply a symbol for a level of realization at which we are in perfect balance and equilibrium. It is a state of absolute clarity and awareness.
I think very much people experience such moments, but often they are very short and very few might realize how to consciously bring about such a state, but let's come back to our story.


Milarepa stands here for our striving for success and for our search for knowledge. If you interpret the story in a more mundane, or tangible way, you can also say that Milarepa is trying to achieve a goal. What exactly the goal is is beside the point.
When he meets the old man, he intuitively feels that he has already reached his goals, or has found enlightenment. Immediately he sees his chance and wants to know what enlightenment is, or how a goal can be reached.

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As the old man lowers the load, Milarepa has his answer.
"Let go."
And he immediately understands that the more he tries to find, the less he will succeed. He must leave the baggage behind in order to be free.
Here again, the story leaves a lot of room for interpretation; the heavy burden could be anything. It could be seen as the pursuit of fame, success and recognition. Or also as the greed for knowledge and realization, it is free to everyone to interpret that for themselves.


Milarepa is no longer a youth, but an experienced seeker and so he asks another important question with presence of mind: "What comes after enlightenment? ".
And the old man grasps his burden and smiles again.
The story wants to teach us that we cannot escape the world and our tasks for good, nor do we have to. The old man smiles, apparently satisfied, although he knows that he must continue to carry his burden. He humbly accepts this circumstance, knowing that moments without burden will come again.
Even an enlightened master cannot remain permanently in the state of enlightenment, not as long as he is bound here to this world. But that is a topic for another post.

Even if we achieve our goals, new ones always follow and that is perfectly normal and also good, because otherwise there would be no progress. Let's make the best of it and move forward on this exciting journey.

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I hope you enjoyed this post and it makes you reflect. I wish you a weekend with moments without burdens.

See you soon.


Bilder | Pictures www.pixabay.com
Mostly translated with www.DeepL.com (free version)
Milarepa Wiki Deutsch
Milarepa Wiki English


Text by @captainloken



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11 comments
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Vielen Dank für diese "Erleuchtung". Loslassen ist nötig und kommt nicht beim Loslassen von einem bestimmten Thema oftmals die Erleuchtung genau dazu.

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Milarepa. Eine faszinierende Lebensgeschichte!

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